Es war ein sehr launischer Tag für Schachgöttin Caissa: Sie lies in der alles entscheidenden Schlussrunde der Vereinsmeisterschaft 2010 beide Spitzenpartien um 180 Grad kippen, nachdem sich eine der Parteien glatte Gewinnstellungen erarbeitet hatten. Am Ende hieß es Isserman-Schmidt 0:1 und Kaiser-Dunsbach 1:0.
Davon profitierte Walter Schmidt und wurde zum dritten Mal hintereinander Vereinsmeister!
Doch der Reihe nach: Natürlich standen die beiden erwähnten Partien im Mittelpunkt des Spielabends, obwohl auch noch viele andere Partien der Meisterschaft liefen. Die Möglichkeiten waren bereits im Vorfeld abgesteckt: Im wesentlichen musste jeder der 4 Titelkandidaten erstmal gewinnen, wenn er den Titel holen wollte.
Entsprechend wurde auch mit harten Bandagen aufgeschlagen. Ryhor Isserman ging ganz clever allen Vorbereitungen seines Kontrahenten aus dem Weg, in dem er sich völlig überraschend auf die Hauptvarianten der Najdorf-Verteidigung einließ. Und in der Tat: Er entwickelte aus der Eröffnung heraus eine starke Druckstellung und hatte bald die linke Diagrammstellung und den Sieg vor Augen.
Dann folgte aber Caissas erster Akt: Walter Schmidt wußte sich nicht besser zu helfen, als mit dem durchaus gefährlichen Verzweiflungsopfer 22. ... Lxa3!? alles auf eine Karte zu setzen. Zunächst reagierte Isserman ausreichend, wenn auch nicht optimal: 23. bxa3!? Db6+!? 24. Ka2!? Sxe5!?, aber dann kam der große Blackout: 25. Lxe5?? Txc2+ 26. Ka1 Db3, wonach dem schwer enttäuschten Bad Homburger Spitzenbrett in der rechten Diagrammstellung nur noch die Aufgabe blieb!
Nach dieser unerwarteten Wendung war kurz vor Mitternacht klar, dass der neue Vereinsmeister entweder Walter Schmidt oder Ralf Dunsbach heißen würde. Letzterer musste dazu aber seine Partie gewinnen.
Richard Kaiser (links) und Ralf Dunsbach wußten hier schon, dass letzterem ein Sieg zur Meisterschaft reichen würde. Allerdings entstand dieses Bild unmittelbar nachdem Ralf Dunsbach seine große Chance, s.u., bereits ausgelassen hatte.
Diese trieb auf die Zeitkontrolle zu, als der Fide-Meister Dunsbach mit engagiertem Spiel am Damenflügel die Stellung öffnete und seinem Läufer auf e4 Kräftenachschub gewährte. Im ersten Diagramm kam dann kurz danach seine große Chance: Er hätte mit dem einfachen 44. ... Df1!!, ein Manöver, das er einige Züge vorher auch geplant hatte, ganz rasch die Ernte einfahren und gewinnen können.
Aber es folgte Caissas zweiter Akt, denn Ralf Dunsbach hatte diese Möglichkeit einfach wieder vergessen und zog 44. ... Dxc5?? 45. Tb7+ Kg8 46. Db2! Dd6, wonach Richard Kaiser sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen ließ und die Partie mit netten Schlägen gewann: 47. Sxc6! d4 48. Db3+ Ld5 49. Dxd5+ (rechtes Diagramm) und 1:0.
Ein glücklicher Vereinsmeister Walter Schmidt vor der noch einmal inszenierten Schluss-Stellung.
Der Tabellenstand an der Spitze lautet damit:
1. | Walter Schmidt | 5,5 Punkte |
2. | Richard Kaiser | 5,0 Punkte |
3. | Ryhor Isserman | 4,5 Punkte |
4. | Ralf Dunsbach | 4,5 Punkte |
An kommendem Freitag hat entweder Manfred Kroth oder Adrian Cipca noch die Möglichkeit, auf 4,5-Punkte zu kommen.